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500 Km in und um den Radmarathon in Rockenhausen

Der Wecker „steht auf“ 0:00 Uhr. Laut Wetterbericht soll es heute sehr warm werden. Aber warum werde ich jetzt schon wach? Das Ding klingelt doch erst in einer Stunde.  Also dämmere ich diese eine Stunde noch vor mich hin und stehe dann relativ munter auf, bevor der Wecker auch meine Frau noch weckt. Es reicht ja, wenn einer so früh wach ist.

Jetzt schnell machen. 1:30 Uhr ist die geplante Abfahrtzeit. Alle Fahrradsachen liegen schon sauber, schlüssig sortiert und griffbereit fertig über der Badewanne. Schnell noch das wenig sinnvolle, aber traditionelle Müsli in den Bauch befördern. Das funktioniert auch während des Anziehens, das spart Zeit.

Es ist 1:36 Uhr, ich rolle also mit 6 min Verspätung los. Der Tag ist durchgeplant, das Ziel (500 km am Stück zu radeln) steht fest. Jetzt ist die Chance zur Umsetzung gekommen. Es ist wesentlich wärmer als gedacht. Gemütlich rolle ich von Altstadt aus nach Blieskastel. Unter den Straßenlaternen im Bliestal schwirren die Insekten und Fledermäuse o.ä. auf der Jagd nach ihnen. Autos fahren fast keine und so rollt es sich trotz Dunkelheit entspannt auf den Blieskasteler „Brückenkreisel“ zu. Schnell noch über die Brücke Richtung Osten, um dann beim nächsten Kreisel die Rückfahrt einzuleiten. Zurück nach Altstadt, dann über Homburg Richtung Hütschenhausen, Hirschhorn, nach Otterberg. Inzwischen ist es wesentlich kühler geworden, denn über den Wiesen steht der Nebel. Die Abfahrt nördlich von Otterberg lässt mich erstmalig richtig frieren. –Egal, ich rechne und stelle fest, dass ich Rockenhausen um 5:45 pünktlich nach Plan erreichen werde. 

Die ersten Radfahrer kommen mir schon entgegen obwohl der Start offiziell erst um 6:00 ist. Nach einem kurzen Einschreiben geht es für mich um 6:07 los. Dieses Mal habe ich beim offiziellen Start schon 101 km auf dem Tacho. Das beruhigt, denn 20 % der Strecke sind geschafft und waren eigentlich geschenkt. Bis jetzt funktioniert alles nach Plan, aber das soll sich noch ändern. 

In einer Dreiergruppe fahren wir bis zur ersten Verpflegungsstation. Aus Angst, dass das Tempo für mich an diesem Tag zu schnell wird, verabschiede ich mich, wünsche den anderen einen schönen „Restsamstag“ und fahre alleine weiter. Weitere Gruppen überholen mich. So übermäßig schnell sind sie alle nicht, aber der Tag soll ja noch lang werden. Jetzt schön langsam rollen und nicht verfahren. Aber die Ausschilderung ist, wie jedes Jahr, hervorragend. Nach weiteren ca. 80 km finde ich eine nette Gruppe, die noch langsamer ist als ich es bin. Nach 20 km stellt sich heraus, dass die deshalb so „locker“ fahren, weil sie auf der 303 km-Strecke nur einmal Verpflegung aufnehmen wollen. Es gibt Leute mit komischen Zielen. Bis zur Verpflegung in Kastellaun fahren wir gemeinsam und sehr gemächlich. Der Tacho zeigt nun bei mir 241 km und ich fühle mich ähnlich frisch wie letztes Jahr, als ich die 303 km-Runde mit Autoanreise gefahren bin. Auch die Hügel Richtung Mosel laufen ziemlich gut, obwohl es inzwischen (sehr) „unangenehm“ warm geworden ist. 

An der Kontrollstelle „Mosel“ ist die Temperatur inzwischen weit außerhalb des „Komfortbereichs“. Nun wird es noch wichtiger, ausreichend zu trinken und mit weitgehend vollen Flaschen den Moselanstieg hinter sich zu bringen. Das ist bei der 303 km-Runde bei mir eigentlich immer die Schlüsselstelle. Es geht extrem steil nach oben, Schatten gibt es nicht und der Körper beginnt ähnlich stetig zu überhitzen, wie ich es von einer Reiseradtour in Nordafrika her kenne. Noch bin ich nicht oben und dennoch denke ich an dieser Stelle das erste Mal überhaupt an Schieben. Das gab es noch nie und es ist ein sehr schlechtes Zeichen. Die erste 1 l-Trinkflasche ist schon leer, die zweite nur noch zur Hälfte gefüllt und ich bin glücklich in die kühlende Abfahrt zu gelangen. 

In Treis-Karden geht es in den zweiten Anstieg (mit nur 0,5 l Wasser). Der Tacho steht inzwischen bei 280 km. Vor einer Stunde ging es mir noch gut. Nun spüre ich die „Einschläge“. Das rechte Knie schmerzt erheblich, ich dehydriere, trinke nur noch rationiert und müsste dringend ein zweites Gel an diesem Tag schlucken. Aus Angst nicht ausreichend Wasser zum Nachspülen zu haben und folglich Verdauungsprobleme zu bekommen, verzichte ich auf die Kohlenhydrate. Auf die Idee bei irgendeinem Haus zu klingeln und um Wasser zu bitten, wie ich es eigentlich immer mache, wenn ich mit Gepäck unterwegs bin, komme ich einfach nicht. Das Blut zirkuliert in den Beinen, da scheint (mit Abstand betrachtet) für das Denken nicht viel „Lebenssaft“ übrig zu sein. Folglich bin ich nur auf das Nahziel fixiert, das darin besteht, möglichst schnell erneut in Kastellaun anzukommen, um erst dort die „Speicher“ aufzufüllen. –Ein riesiger Fehler. Auch wenn sich die großen Knieschmerzen beim Bergabrollen durch Massieren und Dehnen etwas mindern lassen, so nimmt die ganze Unternehmung inzwischen den Charakter einer Durchschlageübung an. So war das nicht geplant! 

Tachostand: Etwas als 300 km; Ich bin an der Verpflegungsstelle. Das Sprechen fällt mir sehr schwer. Wasser und Gel schlucken funktioniert aber (noch), zum Glück! Mindestens zwei Sportsfreunde sind ja noch hinter mir. Auf die warte ich, dann können wir gemeinsam fahren, denn nun beginnt die Gegenwindetappe. Mit dem Wunsch an die Helfer aus Rockenhausen, dass sie mich nach 10 min bitte wieder wecken sollen, schlafe ich sofort ein. Meine Lichter sind fast aus, es war einfach zu heiß an der Mosel und mein Körper ist dehydriert. 

Ich wache auf und registriere gerade, wo ich aktuell bin und was ich heute vor habe. Da kommt ein Auto und hält neben mir an. Es ist der Besenwagen! -Alles aber nur nicht mit diesem Auto um die Wette fahren. Und es kommt noch schlimmer; Die zwei auf die ich gewartet habe sitzen bereits im Besenwagen. –So ein Mist! 

Neben mir im Gras liegt ein bemitleidenswerter Sportsfreund, mit eindeutigen Überhitzungserscheinungen, dem die Jungs von der Verpflegungsstelle gerade helfen die Körpertemperatur zu reduzieren, um seinen Kreislauf zu stabilisieren und die 3 oder 4 anderen um mich herum sehen schlechter aus als ich mich inzwischen fühle. Die 10 min Schlaf und das Gel haben ein echtes Wunder bewirkt. Ich habe sogar wieder Lust zu fahren. Aber meine Frage an die anderen bezüglich einer gemeinsamen Weiterfahrt bleibt unbeantwortet. „Was ist denn los, wer kommt denn jetzt mit“. Ausdruckslose Augen schauen mich an. „Wir warten hier doch alle auf den Besenwagen“ kommt dann ziemlich spät als Antwort. Oh je! Auf welches Pferd habe ich hier gesetzt. Ich werde freundlich und mitleidsvoll verabschiedet und fahre los. Und siehe da, die Knieschmerzen werden auch weniger. Warum auch immer. Im Powerbar-Gel ist etwas Koffein enthalten und das scheint bei mir (ich trinke sehr wenig Kaffee und bin Koffein nicht gewohnt) das entscheidende Wunder gebracht zu haben. 

Das Fahren macht wieder Spaß. Zuversichtlich die 500 km zu schaffen gehe ich die letzten 200 km an. Leider bin ich aber wieder allein unterwegs. Jetzt läuft es eigentlich ganz gut und auch der Wind kommt nicht so stark von vorne, wie befürchtet, sondern hat eine erhebliche „Rechtskomponente“.

An der Verpflegung Gräfenbacher Hütte (ca. 65 km vor Rockenhausen) treffe ich sogar noch einen einsamen Fahrer, der morgens zu Hause in Altenglan gestartet war. Wir fahren gemeinsam und die Einsamkeit hat ein Ende. Leider verlässt er mich ca. 10 km vor der letzten Verpflegungsstelle (Reiffelbach), um direkt nach Hause fahren zu können. Er mag nicht mehr. Ich muss zugeben, dass ich schon ein bisschen neidisch bin, aber die 140 km sollten noch machbar sein. 

Bei der letzen Verpflegungsstelle treffe ich den verhassten Besenwagen mit der super freundlichen Besatzung wieder. Der zuvor überhitzte Kollege sitzt auch drin und meint, dass es ihm inzwischen wieder recht gut ergeht und er mit mir die letzten km bis Rockenhausen zusammen in Angriff nehmen möchte. Er sieht wirklich frisch aus. Wir verabschieden uns von den gut gelaunten Helfern und rollen los. Er hat sich wirklich gut erholt; ich habe Schwierigkeiten an seinem Hinterrad zu bleiben und muss ihm eingestehen, dass ich nicht in der Lage bin, bei diesem Tempo Führungsarbeit zu machen. Ihm ist das egal, er rollt fröhlich plaudernd und nimmt meinetwegen auch noch „Tempo raus“. Lieben Dank an dieser Stelle für die Hilfe! Gemeinsam rollen wir in Rockenhausen ein. Der „Unbestechliche“ zeigt etwas über 400 km, die Sonne geht unter, es ist ca. 21:30 Uhr. Also schnell die RTF-Punkte eintragen lassen, wieder die Fahrradlampen montieren, die ich im Startbereich deponieren durfte (lieben Dank an Frau Braun, vom RSF-Donnersberg) und los geht es. 

Laut Plan habe ich 1,5 h Verspätung. Das ist viel aber es ist auch egal. Hartnäckig dran bleiben, dann kann trotzdem nichts mehr passieren. Ab Otterberg wird es kühl. Ich ziehe mich wärmer an, esse noch eine Banane und freue mich, dass ich mir zuvor die Ortsnamen für den Heimweg auf einem Spickzettel, der sich auf meinem Oberrohr befindet, notiert hatte. Ich wusste ja im Vorfeld, dass es mit dem Denken irgendwann nicht mehr funktionieren wird. –Auch wenn diese mentale Tiefenentspannung ein tolles Gefühl ist. 

Hütschenhausen ist erreicht. Die Bushaltestelle die ich mir in der Woche zuvor ausgesucht hatte, um zu rasten, liegt leider im Kernschatten einer Straßenlaterne. Das hatte ich nicht bedacht. Aber die Bank vor der Kirche direkt an der Straße ist auch nicht schlecht. Ein letztes Gel in den Bauch drücken, etwas nachtrinken und … ich werde müde, sehr müde. Das Rad steht noch an der Straße 3 m von mir entfernt und ich nicke ein. Nach einem Sekundenschlaf erwache ich dann fast panisch. Was ist, wenn man mir so kurz vor dem Ziel auch noch das Fahrrad klaut, während ich schlafe? Nach alledem heute, nach all der langen Vorbereitung, ... –das darf nicht sein. Also aufsitzen und weiterfahren. Aber Lust habe ich nun wirklich keine mehr. Abbrechen ist aber auch keine Alternative! Auch die lange Gerade von Hauptstuhl nach Homburg motiviert nicht wirklich. Das Knie schmerzt erneut, zwar nicht übermäßig schlimm, aber es nervt. Gleiches gilt für den Nacken, aber auch dieser Schmerz ist nicht so schlimm wie vor 2 Jahren, als ich die 440 km gefahren bin. Dennoch ich hänge „drin“, im Motivationsloch. Da hilft nur eins,  dran denken, wie schön es ist, wenn es vorbei ist.

Wie zu erwarten kommt die große Herausforderung dann in Homburg. Bis der Tacho 500 km anzeigt fehlen nur noch ca. 30 km. Jetzt nur nicht nachlassen, denn ich fahre direkt an Altstadt (wo ich wohne) vorbei und muss Richtung Blieskastel abbiegen. Schön wäre es schon, nun direkt nach Hause zu fahren. Aber …

Gut, dass ich ausreichend km auf dem Tacho habe, so dass ich kurz vor Blieskastel bereits umdrehen und den Heimweg antreten kann. Schnell noch an den Stellen vorbei, die ich vor ca. 24 Stunden, ebenfalls im Dunkeln, gefahren bin. Auch die Fledermäuse sind wieder auf der Jagd unter der gleichen Laterne. Zu Hause angekommen sind es dann 24:46 Stunden geworden, die ich unterwegs war, davon 20:32 Stunden im Sattel. Der „Unbestechliche“ zeigt 501 km an und laut Pulsmesser habe ich ca. 11.542 kcal verbrannt. Circa, denn mein alter Pulsmesser zeichnet nur 24 Stunden lang die Daten auf, was ich bisher nie bemerkt hatte.

Beim nächsten Mal muss aber einiges anders gemacht werden. Es ist günstiger am Vormittag in Rockenhausen auch bei schnelleren Gruppen mitzufahren, denn die langen Alleinfahrten sind zum einen sehr kräftezehrend und zum anderen auch langweilig. Über die Notwendigkeit zu trinken darf man nicht nachdenken, dass muss auch dann zwingend gemacht werden, wenn das Denken nicht mehr so gut funktioniert. Und ich muss versuchen mit Schuheinlagen die Knieprobleme in den Griff zu bekommen. Aber für die nächste Vorbereitung ist ja noch ausreichend Zeit!

Marcus Rinke

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